Philipp Gattermann
kombiniert Schreinerei mit seiner Leidenschaft für den Naturschutz.
Familienvater L. S.* hat alles versucht, um den behördlichen Entscheid aufzuhalten. jms
Kurz vor Weihnachten kam der Bescheid, nach Neujahr folgte die Ausreise. Nach knapp elf Jahren in Münchwilen wurde L. S.* mit seiner Frau und seinen zwei Kindern aus der Schweiz ausgewiesen. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) nimmt Stellung zum Zeitpunkt der Ausweisung.
Münchwilen Die Nachricht traf die Familie kurz vor den Feiertagen: Nach knapp elf Jahren in der Schweiz mussten L. S.*, seine Ehefrau und ihre beiden Kinder, sieben und neun Jahre alt, das Land verlassen. Der definitive Ausreisebefehl erreichte sie Ende November. Bereits am 6. Januar mussten sie die Schweiz verlassen – mitten in einer Zeit, in der viele öffentliche Stellen und Anwaltskanzleien geschlossen sind. «Wir verlieren unsere Heimat, und unsere Kinder verlieren ihre Freunde und Schule», klagte L. S., der gesundheitlich schwer beeinträchtigt ist.
L. S. hat kroatische Wurzeln und wuchs in Deutschland auf. Vor rund elf Jahren kamen er und seine Frau in die Schweiz. Hier erlitt der gelernte Gerüstbauer 2016 einen Arbeitsunfall, woraufhin ihm nach langwierigen Abklärungen vom Universitätsspital Basel eine 100-prozentigen Arbeitsunfähigkeit ausgestellt wurde. Trotz bestätigter IV-Rente wurden seine Aufenthaltsbewilligung und jene seiner Familie vor fünf Jahren nicht verlängert. Der Bundesgerichtsentscheid bestätigte die Wegweisung. «Mit meiner Erkrankung bin ich lebenslänglich auf ärztliche Behandlungen angewiesen», erklärt der mittlerweile 56-Jährige und ergänzt: «Ich wurde in der Schweiz verletzt und werde auch in Deutschland nicht arbeiten können. Dass ich nun meiner Gesundheitsversorgung und meiner Rente beraubt werde, ist nicht gerecht.»
Besonders kritisch sieht L. S. den Zeitpunkt des Entscheids: «Zwischen Bescheid und Ausreise blieb kaum Zeit, um Alternativen zu prüfen.» Auch für die Räumung der Wohnung in Münchwilen blieb laut L. S. keine Zeit. Seine Frau und Kinder brachte er vorübergehend nach Kosovo zu Verwandten seiner Frau, während L. S. selbst versucht, in Deutschland eine neue Unterkunft für die Familie zu finden. «Die Kinder sind in der Schweiz geboren, sprechen nur Deutsch und haben alle ihre Freunde hier. Sie verlieren alles», sagt er. Die Familie hofft weiterhin, eines Tages in die Schweiz zurückkehren zu können. ⋌jms
*Name der Redaktion bekannt
Mediensprecherin Magdalena Rast vom SEM (Staatssekretariat für Migration) klärt auf: «Grundsätzlich werden Asyl- und Wegweisungsentscheide über das ganze Jahr, inklusive Ende Jahr, an Wochentagen (nicht Wochenende, nicht nationale Feiertage, wie z.B. 25.12., 26.12, 2.1.) verfügt. Die Ausreisefrist bestimmt sich wie folgt: Gemäss Artikel 45 Absatz 2 AsylG beträgt die Ausreisefrist im beschleunigten Asylverfahren sieben und im erweiterten Asylverfahren zwischen sieben und 30 Tagen. Die Ansetzung kürzerer Ausreisefristen ist in Fällen möglich, bei denen ein öffentliches Interesse an einer raschen Ausreise besteht (z.B. bei Straffälligkeit und einer Gefahr für die Sicherheit der Schweiz). Eine längere Ausreisefrist kann angesetzt werden oder ein Gesuch um Verlängerung der Ausreisefrist kann gestellt werden, wenn besondere Umstände wie die familiäre Situation, gesundheitliche Probleme oder eine lange Aufenthaltsdauer dies erfordern.»
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