Juliana Hassler
half Kindern, ihre eigenen Schoko-Osterhasen
herzustellen.
Ein unscheinbarer Dorfbrunnen sorgt in Bettwiesen für einen handfesten Konflikt zwischen einer ortsansässigen Firma und der Gemeindeverwaltung. Was als einfache Anfrage zur Versetzung des Brunnens begann, hat sich mittlerweile zu einem Streit mit juristischen Konsequenzen entwickelt.
Bettwiesen Bereits vor über drei Jahren fragte der Unternehmer Andreas Pustiasi bei der Gemeinde an, ob der Dorfbrunnen, der sich auf seinem Grundstück befindet, versetzt werden könne. Der Brunnen schränkt laut Pustiasi die Sicht bei der Ausfahrt auf die Hauptstrasse erheblich ein, wodurch es immer wieder zu gefährlichen Situationen kommt. Zudem würden Kinder und Erwachsene das angrenzende Trottoir als Fahrradweg nutzen, was zu mehreren Beinahe-Kollisionen geführt habe. Auch das Parkieren auf dem Grundstück sei schwierig: «Ich habe beim Manövrieren mehrmals fast den Brunnen touchiert», so Pustiasi. «Es wäre schade, wenn er kaputt ginge, denn auch ich finde den Brunnen schön anzusehen, denke aber, dass er an einem anderen Ort in der Gemeinde besser aufgehoben wäre.»
Andreas Pustiasis Frau Franziska ist sowohl Mitinhaberin der Firma als auch Gemeinderätin in Bettwiesen. Bei Sitzungen zu diesem Thema trat sie stets in den Ausstand, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Gemäss Andreas Pustiasi nahm die Gemeinde das Anliegen jedoch nicht ernst und verzögerte eine Entscheidung. Nachdem er Druck gemacht hatte, liess die Gemeinde Offerten für eine Versetzung einholen, entschied sich dann aber aus Kostengründen gegen eine Umsetzung des Brunnens.
«Über Jahre hinweg wurde vonseiten der Gemeinde kommuniziert, dass der Brunnen ihr gehöre», sagt Pustiasi. Er und seine Firma hatten ihn in der Vergangenheit regelmässig in Betrieb genommen und winterfest gemacht. Doch als die Gemeinde begann, einen Dienstbarkeitsvertrag zur Sicherung ihrer Rechte vorzuschlagen, wurde Pustiasi misstrauisch. Nach einer eigenen Abklärung mit der Rechtsabteilung des Kantons Thurgau stellte sich heraus: Laut dem Akzessionsprinzip gehört der Brunnen rechtlich dem Grundstückseigentümer – also der Firma von Andreas Pustiasi. Mit diesem Wissen machte er der Gemeinde ein Angebot: Der Brunnen könnte fachgerecht abgetragen und an einem geeigneten Ort wieder aufgebaut werden. Die darauf befindlichen Figuren «Schulmädchen» und «Schuljunge» wollte er der Gemeinde zum Kauf anbieten, um die Abtragungskosten auszugleichen. Die Gemeinde wurde vorab über diese Pläne informiert.
Drei Tage nach Pustiasis Meldung verhängte die Gemeinde einen sofortigen Baustopp mit einer angedrohten Strafe von 20’000 Franken, falls Pustiasi Arbeiten am Brunnen durchführen sollte. Gleichzeitig leitete sie eine superprovisorische Verfügung zur Unterschutzstellung des Brunnens ein. Ein externes Gutachten erklärte ihn schliesslich für schutzwürdig. «Das ist reine Schikane. Ich musste mich sogar an den Kosten für das Gutachten beteiligen», so der Unternehmer. Er vermutet, dass die plötzliche Schutzmassnahme eine Trotzreaktion der Behörden auf seinen rechtlichen Druck sei.
Im Dezember 2024 forderten Pustiasi und seine Frau eine Aussprache mit dem Gemeindepräsidenten und der Gemeindeschreiberin, um die Situation zu deeskalieren. «Franziska nahm daran ganz klar in der Rolle als Firmenvertreterin und nicht in ihrer Gemeinderatsfunktion teil. Wir suchten das persönliche Gespräch, um Missverständnisse aus dem Weg zu räumen.» Doch das Treffen endete in einem neuen Konflikt: «Das Protokoll des Gespräches enthielt nicht alle wichtigen Informationen. Deshalb stellte ich der Gemeinde einen korrigierten Entwurf zur Prüfung zu», so Pustiasi. Daraufhin beschuldigte die Gemeindeschreiberin die Vertreter der Firma in einer E-Mail, das Gespräch unerlaubt aufgezeichnet zu haben. Laut Pustiasi entspricht diese Behauptung nicht der Wahrheit – für ihn erfüllt sie den Tatbestand der üblen Nachrede und Verleumdung.
In einer Sitzung von letzter Woche fasste der Gemeinderat einen weiteren umstrittenen Beschluss: Franziska Pustiasi wurde von ihrem Amt als Vizepräsidentin des Gemeinderats enthoben. «Meine Frau lässt ihre persönlichen Interessen und Differenzen bei Gemeinderatsentschlüssen immer aussen vor. Dass sie nun trotzdem in Mitleidenschaft gezogen wurde, ist eine Unverschämtheit», ärgert sich der Firmeninhaber. Laut Pustiasi geschah dies aufgrund einer internen Risikoanalyse: «Der Gemeinderat befürchtete, dass die Gemeindeschreiberin kündigen könnte. Da ihr Verlust schwerwiegender eingestuft wurde als der Verlust der Vizepräsidentin, entschied man sich für die Abberufung von Franziska Pustiasi.» Einige Ratsmitglieder sollen ihr sogar nahegelegt haben, freiwillig zurückzutreten, um «ihr Gesicht zu wahren». Pustiasi jedoch hält diesen Beschluss für rechtswidrig: «Gemäss Paragraf 27 konstituiert sich der Gemeinderat für eine Legislaturperiode von vier Jahren. Es gibt keine Regelung, die eine vorzeitige Abberufung vorsieht.» Seine Frau hat bereits Rekurs beim Departement für Inneres und Volkswirtschaft eingereicht. Zudem hat Pustiasi Strafanzeige gegen die Gemeindeschreiberin eingereicht.
jms
«In der Gemeinde Bettwiesen stehen insgesamt drei öffentlich zugängliche Brunnen auf Privatgrundstücken. Weil deren Eigentumsverhältnisse nicht klar waren, versuchten wir, eine Dienstbarkeitsvereinbarungen zu erzielen, um den weiteren Erhalt sowie den langfristigen Unterhalt der Brunnen durch die Gemeinde zu sichern. Einzig über den Brunnen an der Hauptstrasse (Nähe Schulhaus) konnte der Gemeinderat keine Vereinbarung treffen. Dieser Brunnen hat für die Gemeinde einen besonderen emotionalen Wert: Gemäss Zeitzeugen wurde er 1949 saniert, durch die beiden Figuren «Schulmädchen» und «Schuljunge» ergänzt und feierlich eingeweiht. Finanziert wurden die Sanierung und die Figuren damals durch örtliche Vereine. Weil der Brunnen im Bereich der Einfahrt steht, schlugen die Grundeigentümer vor, ihn zu versetzen, wobei die Kosten durch die Gemeinde zu tragen seien. Der Gemeinderat prüfte diesen Vorschlag, sah aber aufgrund der sehr hohen Kosten davon ab. Zwischenzeitlich machten die Grundstücksbesitzer geltend, dass der Brunnen gemäss ‹Akzessionsprinzip› ihr Eigentum sei, und stellten der Gemeinde schriftlich in Aussicht, diesen binnen dreier Tage zu entfernen. Um das Kulturgut im Sinne der Allgemeinheit zu schützen, sah sich der Gemeinderat gezwungen, den Brunnen superprovisorisch unter Schutz zu stellen. Im Dezember 2024 fand eine Aussprache zwischen den Grundstückbesitzern, der Gemeindeschreiberin und mir statt. Vizepräsidentin Franziska Pustiasi nahm als Mitinhaberin des fraglichen Grundstückes an der Aussprache teil. Leider konnte keine Einigung erzielt werden. Hingegen entschied der Gemeinderat nach der Aussprache, Franziska Pustiasi ab dem 1. April die Funktion als Vizepräsidentin zu entziehen. Grund dafür sind ihr Rollenkonflikt und der damit einhergehende Vertrauensverlust der restlichen Gemeinderäte. Die Grundeigentümerschaft wiederum erstattete Anzeige gegen die Gemeindeschreiberin im Zusammenhang mit der Protokollführung der Besprechung. Der Gemeinderat bedauert sehr, dass die Angelegenheit um den historischen Brunnen zu Rechtsstreitigkeiten und öffentlichen Auseinandersetzungen geführt hat. Sie tragen wenig zur Klärung und Entschärfung der Situation bei und haben leider viel Geschirr zerschlagen. Der Rat bedauert insbesondere die Strafanzeige gegen die Gemeindeschreiberin, die nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hat und das volle Vertrauen des Gemeinderates geniesst. Der Gemeinderat ist nach wie vor an einer gütlichen Einigung interessiert.»
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