Laura Oberholzer
ist seit zwei Jahren Leiterin der Midnightsports in Zuzwil.
Beat Ruckstuhl betreut die Tierkörpersammelstelle in Sirnach seit über 15 Jahren.
Ob es an der jahrelangen Gewöhnung oder am eingebauten Kühlraum liegt, laut Beat Ruckstuhl merkt man in der regionalen Tierkörpersammelstelle Hinterthurgau (RTH) von unangenehmen Gerüchen nichts.
Sirnach Die regionale Tierkörpersammelstelle Hinterthurgau (RTH) ist ein Dienstleistungsbetrieb, der die Entsorgung von Tierkörpern übernimmt. Alleine an der Sonnhaldenstrasse in Sirnach werden jährlich rund 300 Tonnen Kadaver und tierische Nebenprodukte entsorgt. Das beinhaltet sowohl Schlachtabfälle wie auch Überreste verunfallter oder natürlich verstorbener Tiere. Einen Teil der Tiere nimmt RTH-Betreuer Beat Ruckstuhl seit über 15 Jahren persönlich entgegen. Im Interview spricht er über seine tägliche Arbeit, die Herausforderungen und seine Rolle als Seelsorger für Bauern und Tierhalter.
Beat Ruckstuhl, Sie sind ausser sonntags jeden Tag bei der RTH. Ist auch jeden Tag etwas los?
Ja, tatsächlich. Wir haben jeden Tag Anlieferungen, sei es von Landwirten oder von Privatpersonen, die ihre Haustiere hier abgeben.
Was wird alles angeliefert?
Es sind viele unterschiedliche Tiere. Von Haustieren wie Kaninchen, Meerschweinchen oder Papageien bis hin zu Nutztieren wie Kälbern und Schweinen. Besonders belastend sind Totgeburten bei Nutztieren – das kenne ich selbst aus meiner Zeit als aktiver Landwirt. Auch Wildtiere werden gebracht, besonders während der Jagdsaison oder nach Wetterwechseln, wenn mehr Wildunfälle passieren.
Was passiert mit den Tieren nach der Anlieferung?
Die Tierkörper werden in der RTH nur gesammelt. Einmal pro Woche wird dann alles mit einem Lastwagen zum TMF-Extraktionswerk nach Bazenheid transportiert, wo die Kadaver weiterverarbeitet werden – zu Tiermehl und Extraktionsfett.
Wie kommen Sie mit den Gerüchen klar? Man könnte meinen, es würde hier streng riechen.
Ich nehme hier keinen Gestank wahr. Das liegt wahrscheinlich da-ran, dass die angelieferten Tiere meist frisch sind und wir hier alles gut kühlen. Der Kühlraum ist auf vier Grad eingestellt, was die Verwesung stark verlangsamt und die Geruchsentwicklung reduziert. Zusätzlich töten installierte UV-Lampen schädliche Keime ab. Ein weiteres Plus ist unser striktes Reinigungsprotokoll. Hygiene ist hier das A und O. Einmal die Woche, wenn die Container geleert sind, wird alles gründlich gereinigt.
Gibt es Unterschiede zwischen Sommer und Winter in Bezug auf die Geruchsentwicklung?
Für mich riecht es das ganze Jahr über gleich wenig. Auch im Sommer, wenn es heiss ist, bleibt die Temperatur im Kühlraum konstant. Statt zu einem Geruchsproblem kommt es im Sommer eher zu einem Problem im Energieverbrauch.
Wie gehen Sie mit dem Anblick von toten, teils übel zugerichteten oder verwesten Tieren um?
Als Landwirt hat man im Laufe der Zeit gelernt, mit solchen Anblicken umzugehen. Totgeburten oder das Einschläfern von Tieren sind leider Teil des Lebens auf einem Hof. Natürlich ist es nicht immer einfach, aber man gewöhnt sich daran. Für mich ist es wichtiger, den Menschen, die ihre Tiere hier abgeben, mit Empathie zu begegnen.
Wie erleben Sie die Begegnungen mit Menschen, die ihre toten Haustiere hierherbringen?
Das sind oft emotionale Momente. Besonders bei Familien mit kleinen Kindern, die ein Haustier verloren haben, versuche ich immer, ein paar tröstende Worte zu finden. Die meisten kommen lieber während unserer Öffnungszeiten, damit sie das Tier mir persönlich übergeben können, statt die Einwurf-Öffnung zu nutzen. Manchmal sehe ich mich für Landwirte und Privatpersonen als eine Art Seelsorger. Es ist nicht leicht, ein Tier zu verlieren, besonders, wenn es plötzlich oder unerwartet stirbt.
Wie lange wollen Sie diesen Job noch weitermachen?
Solange es die Gesundheit zulässt. Ich schätze den Kontakt zu den Landwirten und den Menschen, die hierherkommen. Es ist eine sinnvolle Arbeit, die ich gerne tue.
jms
Münchwilen Trotz des Versprechens, dass dem Gestanksproblem im HTG ein Ende gesetzt wurde, werden umliegende Anwohner von weiteren Geruchswellen erfasst. So schrieb Reinhold Good aus Sirnach letzte Woche: «Am späteren Mittwochnachmittag hat es auf der Autobahn zwischen Wil und Münchwilen grauenhaft gestunken. Ich denke, dass dieser Geruch auch im Bereich Gloten bei Sirnach bemerkt wurde. Ich meine, dass Bima überhaupt nichts an Massnahmen tut oder bis heute getan hat.» Gemeint sind die Massnahmen, welche Bima-Geschäftsleiter Marcel Kraus gegenüber der «Thurgauer Zeitung» erwähnte, dass man durch Anpassungen der Annahmebedingungen seit Anfang September das Problem im Griff habe.
Dem entgegen sprechen weitere Rezensionen bei Google-Bewertungen. So schrieb ein Sirnacher letzte Woche: «Die Situation mit dem täglichen Gestank ist grässlich und beraubt uns jeglicher Lebensqualität. An Rücksichtslosigkeit gegenüber Nachbarn, Umwelt und Natur kaum zu überbieten. Trotz Meldungen seit mehreren Jahren scheint dies die Firma nicht zu interessieren. Absolut unverständlich, dass man so eine Firma betreiben kann – ich würde mich schämen.» Eine Anwohnerin aus Bronschhofen ergänzte gerade erst diesen Montag: «Seit Wochen können wir bei schönem Wetter nicht im Garten sitzen, Wäsche trocknen ist unmöglich. Heute den ganzen Tag ein unerträglicher Gestank. An wen kann ich mich wenden?» Dafür hatte man bei der Bima eine simple Lösung parat: Reklamationen delegieren sie seit Jahren einfach weiter an Altkantonsrat Toni Kappeler.
«Auf der Lohnliste der Bima stehe ich nicht, das ist nur ein Dienst meinerseits an die Bevölkerung», erklärt Kappeler und ergänzt: «Seit Jahren schon – und jetzt verstärkt – ist unsere Bevölkerung immer mal wieder von Gerüchen betroffen. Bei allen Reklamationen konnte ich auch viel Geduld der Bevölkerung erfahren, weil man das Produkt der Bima als sinnvoll erachtet: Naturgas, gewonnen hauptsächlich aus Schlachtabfällen, das ins Gasnetz eingespeist wird. Nun aber scheint die Geduld langsam am Ende zu sein.» Kappeler weiss, dass bei der Bima in den letzten Jahren viel in die Abluftreinigung investiert wurde, das alleine reicht jedoch nicht: «Ich wünsche mir von der Bima, dass sie die Bevölkerung offensiver über geplante Schritte informiert und sehr schnell in radikale Verbesserungen der Abluftproblematik investiert. Das muss sein.» Für die «Wiler Nachrichten» war Bima-Geschäftsleiter Marcel Kraus leider nicht für einen Kommentar verfügbar.
Das Geruchsproblem in Münchwilen und Umgebung ist mittlerweile beim Amt für Umwelt gelandet. Dessen Abteilungsleiter Luftreinhaltung und Klima, Martin Zeltner, ist zurückhaltend: «Wir befinden uns in besagtem Fall in einem laufenden Verfahren. Daher ist das weitere Vorgehen und der Stand der Arbeiten vertraulich zu behandeln. Fakt ist, das Amt für Umwelt hat Kenntnis über die Situation, sammelt alle eingehenden Klagen und macht sich regelmässig selbst ein Bild vor Ort. Wir stehen zudem sowohl mit den Verantwortlichen des Betriebs, mit den Gemeinden als auch weiteren Stellen in Kontakt.» Ihnen sei klar, dass die Situation rasch verbessert werden müsse: «Daran arbeiten wir gegenwärtig mit Hochdruck.» ⋌jms
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