Rudolf Kuhn
schiesst Silberjodidraketen in den Himmel um Hagel abzuwehren.
Auch auf der Laderampe hat der Vita-Shop-Besitzer alles zurückgelassen. Unverständlich für Ex-Mitarbeiterin Orsolya Virag.
Der Vita-Shop in Flawil ähnelt der Filmkulisse eines Zombie-Streifens. Alles wurde stehen gelassen und rottet nun vor sich hin. Doch nicht nur die Immobilie wurde vernachlässigt, auch Filialleiterin Orsolya Virag fühlt sich vom Besitzer im Stich gelassen.
Flawil Um den Vita-Shop in Flawil ranken sich viele Gerüchte. Denn seit der überraschenden Schliessung am 20. Juli ist der Lebensmittelladen verwaist (WN vom 3. Oktober). Nur noch die befüllten Regale und die volle Eistruhe deuten darauf hin, dass hier mal eingekauft wurde. Orsolya Virag war Filialleiterin des Vita-Shops und wurde ebenso, wie die Post, von der plötzlichen Schliessung überrascht. «Ich wollte nach meinen Ferien wieder zur Arbeit und bekam kurzfristig die Nachricht von meiner Kundschaft, dass der Laden geschlossen bleibe», erinnert sich die 25-Jährige. Auch vor Virags Ferien lief bei Weitem nicht alles rund. Doch von Anfang an.
Die gebürtige Ungarin schloss ihre Ausbildung beim Spar ab und arbeitete danach in verschiedenen Filialen. «Unter anderem arbeitete ich auch in der Filiale an der Mühlebachstrasse in Flawil», erzählt Virag. Ende Oktober 2023 schloss die Spar Handels AG im Flawiler Ortsteil Botsberg ihre Filiale. Bis zur Schliessung habe die Filialleiterin für die Spar Handels AG gearbeitet. Am 1. November wurde die Immobilie an der Mühlebachstrasse von Vita-Shop-Besitzer Turan Allak übernommen. Die 25-Jährige erhielt das Angebot, ihre Stellung als Filialleiterin im Vita-Shop zu etwas besseren Konditionen beizubehalten. Eine Entscheidung, die ihr nicht leichtgefallen sei. Die Lohnerhöhung und die Beziehung zu ihrer Kundschaft liessen sie den Vertrag am Ende dann unterzeichnen.
«Zu Beginn war es sehr harmonisch und familiär im Vita-Shop. Cagdas Celayir, der Neffe meines Chefs, führte mit mir den Laden, es herrschte eine gute Atmosphäre», so die Detailhändlerin. Diese begann sich jedoch zu verschlechtern, als Allak und sein Neffe sich zerstritten: «Als Cagdas Celayir im Februar den Shop verliess, blieb die ganze Arbeit an mir hängen», berichtet sie.
Die Tage und Wochen wurden für die gelernte Detailhändlerin immer länger: «Ich arbeitete teils 60 Stunden in der Woche. Meinen Kunden bin ich so dankbar, dass sie auf den Laden aufpassten, damit ich auf die Toilette konnte oder mir etwas zu essen brachten», erzählt Orsolya Virag. An Urlaub sei unter diesen Umständen nicht zu denken gewesen: «Von Februar bis Mai, also ganze vier Monate, arbeitete ich ohne einen freien Tag.» Gedanken, zu kündigen habe Virag oft gehabt und diese auch offen kommuniziert. Nicht nur die langen Arbeitstage zollten ihren Tribut, auch das Konto der Detailhändlerin blieb oft leer. «Ich bekam meinen Lohn nicht auf einmal ausbezahlt, sondern tröpfchenweise oder gar nicht», sagt die 25-Jährige verärgert. Die finanzielle Belastung setzte ihr auch gesundheitlich zu: «Gleich nach meinen langersehnten Ferien im Juli wurde ich krankgeschrieben. Als ich danach wieder zur Arbeit wollte, war der Vita-Shop geschlossen», wundert sich die gebürtige Ungarin.
Da die 25-Jährige auch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht den ihr zugesprochenen Lohn erhielt, wand sie sich an die Gewerkschaft Unia. «Turan Allak schuldet mir rund 12’500 Franken», fordert Orsolya Virag. «Ich hatte schlaflose Nächte, da ich nicht wusste, wie ich meine Rechnungen bezahlen sollte», sagt sie. Doch das sei nur die Spitze des Eisbergs. «Durch die Unia erfuhr ich dann auch noch, dass ich nicht beim kantonalen Quellensteueramt angemeldet war. Da ich mit einer Aufenthaltsbewilligung B in der Schweiz lebe, hätte das auch schiefgehen können», ist sie noch immer entsetzt.
Nach einer unbeachteten Betreibung fand vergangenen Donnerstag dann ein Termin vor der Schlichtungsstelle statt. «Wir haben 30 Minuten auf Allak gewartet, aber er ist nicht zum Termin erschienen», sagt Virag wenig verwundert. Ihr ehemaliger Chef habe vor dem Schlichtungstermin zwar seine Mitarbeit beteuert, Handlungen folgten aber keine. «Er hat meinem Berater bei der Unia telefonisch fest zugesagt, dass er am Termin erscheinen und das Geld überweisen werde. Damit gerechnet habe ich nicht», verrät sie. Orsolya Virag wird mit der Klagebewilligung nun vor Gericht gehen.
Die Anfrage dieser Zeitung um eine Stellungnahme von Vita-Shop-Besitzer Turan Allak blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Ob die 25-Jährige ihr Geld erhalten wird, bleibt unklar.
Von Dominique Thomi
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