Walter Pfister
kämpft um das Weiterbestehen des Billardclubs Flawil.
Bea und Harry Schulenburg sind startklar: Heute Nachmittag startet die grosse Reise des Ehepaars in Richtung Norden.
Während andere in seinem Alter mitten in der Pensionsplanung stecken, hat Harry Schulenburg für die Verwirklichung seines Traums den Job gekündigt und die Koffer gepackt. Am 20. Juni startete er zusammen mit seiner Frau auf eine 12’000 Kilometer lange Töffreise.
Züberwangen Vor der Garage der Schulenburgs in Züberwangen steht der fertig gepackte Töff. Es ist eine Africa Twin von Honda mit 1000 Kubik und Automatikgetriebe. Harry Schulenburg schmunzelt: «Viele werden jetzt wohl denken, das ist gar kein richtiges Motorrad ohne manuelles Getriebe. Aber da sind wir anderer Meinung.» Der 55-Jährige und seine Frau Bea wissen, wovon sie sprechen. Zusammen haben sie schon Tausende von Kilometern auf Europas Strassen abgespult – oft auch offroad. «Gerade da ist der Automat ein grosser Vorteil», erklärt Harry Schulenburg. Seine Frau Bea streicht über das Schaffell, das über dem Sitz liegt, auch das haben sie auf den vielen Trips schätzen gelernt. «Nach drei Tagen tut das ‹Füdli› so weh, dass man gar nicht mehr aufsteigen möchte. Ab dem vierten Tag aber wird es besser. Das Fell hilft, die Schmerzen ertragbar zu machen», so Bea Schulenburg. In den Boxen, die am «Panzer», wie Harry Schulenburg seinen Töff mit 470 Kilogramm gerne nennt, hängen, ist das wenige Gepäck, welches das Paar auf seinen Trip mitnimmt. Kleidung, eine Campingausrüstung mit Zelt und ein bisschen Proviant. Und was ist der wichtigste Gegenstand? «Die Kreditkarte», platzt es aus dem Züberwanger mit einem Zwinkern heraus.
Von den ersten Kilometern, die sie fahren werden, trennen die Schulenburgs nur noch ein paar Stunden. Das erste Ziel ihrer Reise in den Norden ist Lörrach. Da werden sie den Töff auf den Zug umladen. «Die ersten 1000 Kilometer durch Deutschland bis nach Hamburg möchten wir uns sparen, denn unsere Pneus halten gut 7000 Kilometer, und die werden wir noch brauchen», erklärt Harry Schulenburg. Von Hamburg aus geht es für das Ehepaar weiter nach Oslo und von da auf die Lofoten. «Da wollen wir viel Zeit verbringen», verrät Bea Schulenburg. Von der norwegischen Insel soll es für die Abenteurer weiter bis ans Nordkap und von da in Richtung Vardø gehen. «Da werden wir teilweise nur noch 500 Meter von der russischen Grenze entfernt sein», weiss Harry Schulenburg. Angst hat das Ehepaar nicht, aber Respekt, wie der 55-Jährige zugibt: «Natürlich weiss man nicht, was die Russen gerade planen, aber, dass gerade etwas passiert, wenn wir da sind, wäre schon ein Zufall.» Den Schulenburgs geht es bei ihrer Reise auch weniger um den Nervenkitzel als vielmehr um das Erlebnis. «Einerseits wollen wir Zeit für uns haben, es soll auch einfach wieder einmal einen Tag langweilig sein, andererseits wollen wir die Kulturen kennenlernen und das Licht im Norden erleben», verrät Harry Schulenburg. Letzteres, das Licht, steht dabei vor allem beim 55-Jährigen im Fokus. «Ich bin ein Lichtmensch und arbeite seit vielen Jahren im Bereich der Lichttechnik. Darum bin ich sehr gespannt, wie sich das besondere Licht im Norden auf uns und unser Gemüt auswirken wird.» Übernachten möchte das Ehepaar auf ihrer Tour nur teilweise im Zelt, auch wenn sich die Züberwanger dafür extra Feldbetten aus Carbon anfertigen liessen, wie Bea Schulenburg verrät: «Wir wollen die Gegensätze erleben: das einfache Leben mit einem Abendessen aus der Dose, aber auch das luxuriösere Leben in einem Hotel mit Whirlpool, wo wir unseren Körpern etwas Gutes tun können.» Die Hinfahrt bis ans Nordkap hat das Ehepaar mit verschiedenen Stopps bereits geplant. Die Rückreise, die über das Baltikum führen soll, ist noch offen. «Wir wollen uns treiben lassen», so die Eltern von zwei Kindern. «Sie werden drei Monate sturmfrei haben zu Hause», schmunzelt Bea Schulenburg, die selber keinen Fahrausweis für den Töff besitzt. Fahren wird nur ihr Mann. «Das machen wir schon immer so, man erlebt die Reise auf einem Töff viel intensiver als auf zwei», so der Züberwanger und ergänzt: «Oftmals erzählen wir uns dann am Abend bei einem Glas Wein oder einem Martini, wie wir den Tag erlebt haben.»
Dass es jetzt mit 55 Jahren auf die grosse Reise gehe, habe nichts mit einer Midlife-Crisis zu tun, versichert Harry Schulenburg. Vielmehr sei nun einfach die passende Zeit für dieses Abenteuer: «Das eher Aussergewöhnliche an unserer Geschichte ist sicher, diesen Break nicht mit 25, sondern mit 55 Jahren zu machen, wo andere möglicherweise bereits in die Pensionsplanung gehen. Zu einem früheren Zeitpunkt war dies aber nicht möglich wegen meines Jobs und wegen der Kinder, welche erst jetzt die Lehrzeit beenden.» Für die Töffreise hat der Züberwanger seine Jobs als Verkaufsleiter und Mitglied der Geschäftsleitung in zwei kleineren beziehungsweise mittleren Unternehmen gekündigt. Nach den vielen Jahren im Berufsleben und in der gleichen Firma fehle der Hunger, die Herausforderung, so Schulenburg: «Ich durfte in den vergangenen Jahren eine steile Karriere hinlegen, doch je länger, je mehr fehlt mir in meinem Beruf die Basis, selber im Beleuchtungsprojekt zu arbeiten, das, was ich eigentlich gerne mache. Dazu habe ich das Gefühl, langsam die Bodenhaftung zu verlieren. Da ist es vielleicht ganz gut, wieder einmal im Zelt zu schlafen.» Seine Frau Bea arbeitet von zu Hause aus und kann sich ihre Zeit selber einteilen, einen Job musste die Mutter darum keinen kündigen. «Heute ist es bestens möglich, aus seinem Leben mehr zu machen als nur Job, Familie und sein Turnverein», schmunzelt Harry Schulenburg, während er die Africa Twin startet.
Von Lui Eigenmann
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