Stefanie Marty
vermutet, dass die Stadt Wil bei den Architektenhonoraren sparen könnte.
Im Hof zu Wil wird bereits seit zwei Jahren gesägt, geschraubt, gegipst und gepinselt – doch welche Arbeiten werden auf der Baustelle im Wahrzeichen der Äbtestadt tatsächlich durchgeführt? Und welche Handwerksspezialisten stecken dahinter?
Hof zu Wil Marc Schnetzer, Inhaber von Egli und Schnetzer Gipser und Stukkaturarbeiten, steht in knapp zwei Metern Höhe auf einer Stehleiter. Mit geübten Bewegungen zieht er eine schmale Holzlatte über die nasse, hellgraue Masse an der Wand: Er formt den Kalkputz zu einem gleichmässigen Profil. «Als wir hier begonnen haben, kam das Gebäude beinahe einer Ruine gleich», erinnert sich Schnetzer. Nun sollen der bröckelnde Putz, die blätternde Farbe und die Löcher in Decken und Wänden historisch korrekt saniert werden. «Um den denkmalpflegerischen Aspekten gerecht zu werden, verwenden wir die gleichen Materialien und arbeiten mit denselben Methoden, wie vor 600 bis 700 Jahren», so sein Geschäftspartner, Roman Egli. Dies sei eine sehr schöne, aber gleichermassen aufwendige Arbeit, denn die Herstellung der benötigten Materialien nehme viel Zeit und entsprechend viele personelle Ressourcen in Anspruch.
«Heutzutage wird fast ausschliesslich mit vorgefertigten Materialien gearbeitet der Putz muss nur mit Wasser angerührt werden. Früher wurden die Rohstoffe selbst gewonnen und zu Baumaterial verarbeitet», erklärt Schnetzer. Um herauszufinden, welche Materialien in welcher Zusammensetzung für die Sanierungsarbeiten benötigt werden, haben Egli und Schnetzer eine Analyse vor Ort durchgeführt.
Der Putz besteht laut Egli an den meisten Stellen aus Sumpfkalk und Sand. Da allerdings früher die Gleichheit der Rohstoffe nicht garantiert gewesen wäre, sei dessen Zusammensetzung in jedem Raum etwas anders. Viel Vorbereitung habe ausserdem die Erstellung von Stroh-Lehm-Wickeln gebraucht, die als Dämmung und Putzträger funktionieren, so die beiden Handwerker. «Eine Holzlatte wird mit Weiden- oder Haselrute beschlagen, die als Verbindung zum Stroh-Lehm-Gemisch dient», erklärt Roman Egli. Da es im Thureinzugsgebiet kein geeignetes Material gegeben habe, sei im Hof zu Wil Lehm aus dem Jura verarbeitet worden. Die Weiden- und Haselruten hätten die Mitarbeiter von Egli und Schnetzer selbst geerntet, da der richtige Trocknungsgrad für deren Weiterverarbeitung essenziell sei, so die Geschäftsinhaber. «Alle diese Arbeitsschritte brauchen nicht nur viel Zeit, sondern auch viel Know-How», sind sich die beiden einig – Wissen, das immer mehr schwinde.
«Die traditionellen Arbeitstechniken sind heute nur noch in seltenen Fällen gefragt», weiss Marc Schnetzer. Zum einen, da es heute günstigere und effizientere Methoden gebe, zum anderen, weil sich die Gesellschaft nicht mehr auf dieselbe Art und Weise ausdrücke. Die Wandprofilierung und Stukkatur, die im Wahrzeichen der Äbtestadt an vielen Stellen zu sehen sind, waren laut Schnetzer vor einigen Jahrhunderten Ausdruck von Wohlstand. Heute diene eine Profilierung höchstens dem Zweck indirekter Beleuchtung oder eines besseren Schallklimas, doch auch dafür gebe es heute andere Techniken. «Dabei sind die Ergebnisse der traditionellen Methoden sehr langlebig», sagt Roman Egli. Die Wände und Decken im Hof zu Wil würden auch in 400 Jahren noch genauso aussehen wie heute. «Unsere Arbeit hier steht im krassen Gegensatz zur Schnelllebigkeit der heutigen Gesellschaft», so sein Geschäftspartner. «Die Kosten sind zwar aktuell hoch – in puncto Langlebigkeit ist das Handwerk aber wohl kaum zu überbieten. Über eine Zeitspanne von mehreren Hundert Jahren relativiert sich der Preis dann wieder.»
Auf Nachhaltigkeit legen die Geschäftspartner besonderen Wert. «Dieses Gebäude trägt viel Geschichte, die es unbedingt zu erhalten gilt», betont Roman Egli. Nicht nur, weil er sich persönlich für die Geschichte des Wiler Wahrzeichens begeistert, sondern auch weil er damit einen Mehrwert für die Gesellschaft schaffen wolle. «Dazu kommt, dass wir einen persönlichen Bezug zum Gebäude haben», fügt Marc Schnetzer an. Die beiden Handwerker hätten bereits vor rund 20 Jahren im Hof zu Wil gearbeitet. «Umso mehr Freude und auch ein bisschen Stolz macht es, sich handwerklich und künstlerisch in den alten Gemäuern zu verwirklichen.»
Einmal im Monat rücken die WN bestimmte Handwerksarbeiten im Hof zu Wil in den Fokus. In der nächsten Folge gibt Patrik Alder Auskunft über die Herausforderungen bei den feinen Holzarbeiten.
Von Linda Bachmann
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