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Donnerstag, 9. Februar 2023
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Das Geschichtenerzählen zieht sich schon durch das ganze Leben von Oskar Süess und hat ihn auch durch Krisen gebracht.
Kaum jemand erzählt Geschichten mit mehr Herzblut als Oskar Süess. Das Leben des 64-jährigen Wilers, der im Sommer pensioniert wird, lief aber alles andere als märchenhaft ab. Den WN hat er erzählt, wie sich Überforderung durch sein ganzes Leben zog.
Wil Eine einzige Fingerbewegung, schon nur ein Zucken hätte gereicht und die Pistole in Oskar Süess' Hand hätte ihm vor rund 30 Jahren das Leben genommen. Einer der grössten Geschichtenerzähler der Region Wil wäre für immer verstummt. Einer, der Lachen auf Kindergesichter zaubert und unterhält, wohin er auch kommt. Einer, dem man es nie angesehen hatte. Wie kam es so weit?
Das Geschichtenerzählen zieht sich durch Oskar Süess' Leben wie ein goldenes Band durch ein Märchenbuch. Als kleiner Knirps stand «Oski» bereits vor den Sirnacher Schuelgspändli und trug seine Gedichte über Winnetou und Al Capone vor – immer mit viel Schalk und Witz. «Ich war seit eh und je der Komiker unter den Geschichtenerzählern», meint Süess, als er an seinem Küchentisch an der Wiler Waldeggstrasse sitzt und schelmisch grinst. Nicht immer hatte der 64-jährige Wiler Grund zum Lachen. Vor rund 30 Jahren erlitt er ein Burnout – seit da balanciert er auf einem schmalen Grat zwischen grosser Erzählleidenschaft und Überforderung.
Alles begann, als der gelernte Koch nach einem Auslandaufenthalt nach Wil zurückkehrte und in namhaften Restaurants wie dem Schwanen, Konstanzerhof, Wilden Mann oder der Sonnenstube arbeitete. Schon dort schmeckte er die akribisch zubereiteten Gerichte mit Geschichten ab. So erzählte er zum Beispiel beim Servieren, dass früher statt Gold Paniermehl in die Medizin gemischt wurde, da dies günstiger war und daraus das Panierschnitzel entstand, das heute noch goldgelb gebacken wird. Perfekt sollte das Erlebnis und das Essen für Süess' Gäste stets sein – nicht weniger. «Ich erlaubte mir keine Fehler. Sogar, wenn die Rückmeldungen gut waren, zerriss es mich fast, wenn ich wusste, dass es noch ein Mü besser gegangen wäre», erinnert sich Süess. Der Frust wurde immer grösser. Damals führte der Wiler eine Kochbrigade von 20 Mann. Plötzlich jedoch stellte er sich ungeschickter an als der Lernende, konnte einfachste Entscheidungen nicht mehr treffen. Bis seine Nerven und er zusammenbrachen. «Früher wuchs man mit dem Irrglauben auf, nur einen Job bis ans Ende seines Lebens zu haben und dass es eine Schande ist, diesen zu verlieren. Ich sah keinen Ausweg mehr», erzählt Süess. Er bereitete alles für den Selbstmord vor, hatte schon die geladene Pistole in der Hand. Im letzten Moment hielt seine Frau ihn jedoch davon ab und brachte den Geschichtenerzähler zum Hausarzt, der sofort erkannte, dass er Hilfe brauchte, und wies ihn in die Psychiatrie ein. «Alle Entscheidungsträger reagierten richtig und schnell. Das ist heute mit begrenzten Therapieplätzen relevanter denn je. Auch mein Arbeitgeber war verständnisvoll und kündigte mir nicht. Darüber bin ich noch heute dankbar», so Süess. Ein ganzes Jahr war der Wiler krank. Er erlernte Strategien, um einzusehen, dass «gut» reicht und es nicht immer perfekt sein muss. Eine Rückkehr in die Küche war jedoch nicht möglich – ein Versuch scheiterte. «Ich musste das stressige Umfeld ein für alle Mal ändern», so Süess. Der Wiler wagte einen Quereinstieg im Verkauf der Troll Möbel AG. Damit veränderte sich sein Leben komplett.
«Plötzlich hatte ich am Abend wieder Freizeit, um kulturelle Veranstaltungen zu besuchen. Ich begann sogar, im MUSIKTHEATERWIL zu spielen, und wirkte im Musical ‹Bärenstark› mit», erinnert sich Oskar Süess strahlend. Auch die Freude am Geschichtenerzählen flammte wieder auf. Im «Sääli» des Restaurants Sonnenstube durfte er den Kindern als «Oskar, dä Pirat», «Oskar, dä Ritter» oder «Oskar, die Superkäsemaus» Märchen erzählen, die er mit Schauspielutensilien wie einer Schatzkiste untermalte. «Ich wollte die Geschichten so gut wie nur möglich rüberbringen», so Süess. Langsam und kaum merklich schimmerte der altbekannte Perfektionismus wieder durch die Rüstung von «Oskar, dem Ritter». Doch die Leidenschaft war zu stark. Süess machte sich als Geschichtenerzähler selbstständig, montierte nebenbei Möbel und war als Marktfahrer auf Mittelaltermärkten unterwegs. Dies rentierte jedoch nicht so, wie er dachte. Die Überforderung kehrte zurück. Süess musste zurück in den Verkauf. «Wenn ich weitergemacht hätte, wäre es nicht gut ausgegangen. Zum Glück weiss ich nun, Alarmsignale zu deuten, und kann richtig reagieren», sagt er und fügt nachdenklich an: «Trotzdem: Die Überforderung hat sich durch mein ganzes Leben gezogen.»
Bald könnte damit ein für alle Mal Schluss sein. Diesen Juli wird Oskar Süess pensioniert. «Ich freue mich riesig. Ich bin nun versorgt und muss kein Geld mehr verdienen. Alles, was noch kommt, ist ein wunderbares Plus. Es fällt eine gewaltige Last von mir ab», sagt der Wiler sichtlich erleichtert. Sein Blick fliegt über den Küchentisch und bleibt beim Buch «Die Apfelkönigin» hängen, das er letztes Jahr herausgebracht hat. Es lässt erahnen, dass sein Ruhestand nicht ganz so ruhig wie der anderer Pensionäre werden könnte. «Ja», gibt Süess zu, «mit dem Buch wage ich einen Neustart als Geschichtenerzähler und werde nächstes Jahr viel unterwegs sein, um national bekannt zu werden.» Er versuche, es nicht zu übertreiben, meint er zwinkernd. Vorbereitet ist Süess bereits. Zwei Bücher schlummern seit Längerem in seiner Schublade. Deren Geschichten wird er aber nicht mehr als «Oskar, dä Pirat» erzählen, sondern nur noch als Oskar Süess. Nach Jahren voller Überforderung ist der Wiler bei sich angekommen.
Von Darina Schweizer
Das Geschichtenerzählen zieht sich schon durch das ganze Leben von Oskar Süess und hat ihn auch durch Krisen gebracht.
Kaum jemand erzählt Geschichten mit mehr Herzblut als Oskar Süess. Das Leben des 64-jährigen Wilers, der im Sommer pensioniert wird, lief aber alles andere als märchenhaft ab. Den WN hat er erzählt, wie sich Überforderung durch sein ganzes Leben zog.
Wil Eine einzige Fingerbewegung, schon nur ein Zucken hätte gereicht und die Pistole in Oskar Süess' Hand hätte ihm vor rund 30 Jahren das Leben genommen. Einer der grössten Geschichtenerzähler der Region Wil wäre für immer verstummt. Einer, der Lachen auf Kindergesichter zaubert und unterhält, wohin er auch kommt. Einer, dem man es nie angesehen hatte. Wie kam es so weit?
Das Geschichtenerzählen zieht sich durch Oskar Süess' Leben wie ein goldenes Band durch ein Märchenbuch. Als kleiner Knirps stand «Oski» bereits vor den Sirnacher Schuelgspändli und trug seine Gedichte über Winnetou und Al Capone vor – immer mit viel Schalk und Witz. «Ich war seit eh und je der Komiker unter den Geschichtenerzählern», meint Süess, als er an seinem Küchentisch an der Wiler Waldeggstrasse sitzt und schelmisch grinst. Nicht immer hatte der 64-jährige Wiler Grund zum Lachen. Vor rund 30 Jahren erlitt er ein Burnout – seit da balanciert er auf einem schmalen Grat zwischen grosser Erzählleidenschaft und Überforderung.
Alles begann, als der gelernte Koch nach einem Auslandaufenthalt nach Wil zurückkehrte und in namhaften Restaurants wie dem Schwanen, Konstanzerhof, Wilden Mann oder der Sonnenstube arbeitete. Schon dort schmeckte er die akribisch zubereiteten Gerichte mit Geschichten ab. So erzählte er zum Beispiel beim Servieren, dass früher statt Gold Paniermehl in die Medizin gemischt wurde, da dies günstiger war und daraus das Panierschnitzel entstand, das heute noch goldgelb gebacken wird. Perfekt sollte das Erlebnis und das Essen für Süess' Gäste stets sein – nicht weniger. «Ich erlaubte mir keine Fehler. Sogar, wenn die Rückmeldungen gut waren, zerriss es mich fast, wenn ich wusste, dass es noch ein Mü besser gegangen wäre», erinnert sich Süess. Der Frust wurde immer grösser. Damals führte der Wiler eine Kochbrigade von 20 Mann. Plötzlich jedoch stellte er sich ungeschickter an als der Lernende, konnte einfachste Entscheidungen nicht mehr treffen. Bis seine Nerven und er zusammenbrachen. «Früher wuchs man mit dem Irrglauben auf, nur einen Job bis ans Ende seines Lebens zu haben und dass es eine Schande ist, diesen zu verlieren. Ich sah keinen Ausweg mehr», erzählt Süess. Er bereitete alles für den Selbstmord vor, hatte schon die geladene Pistole in der Hand. Im letzten Moment hielt seine Frau ihn jedoch davon ab und brachte den Geschichtenerzähler zum Hausarzt, der sofort erkannte, dass er Hilfe brauchte, und wies ihn in die Psychiatrie ein. «Alle Entscheidungsträger reagierten richtig und schnell. Das ist heute mit begrenzten Therapieplätzen relevanter denn je. Auch mein Arbeitgeber war verständnisvoll und kündigte mir nicht. Darüber bin ich noch heute dankbar», so Süess. Ein ganzes Jahr war der Wiler krank. Er erlernte Strategien, um einzusehen, dass «gut» reicht und es nicht immer perfekt sein muss. Eine Rückkehr in die Küche war jedoch nicht möglich – ein Versuch scheiterte. «Ich musste das stressige Umfeld ein für alle Mal ändern», so Süess. Der Wiler wagte einen Quereinstieg im Verkauf der Troll Möbel AG. Damit veränderte sich sein Leben komplett.
«Plötzlich hatte ich am Abend wieder Freizeit, um kulturelle Veranstaltungen zu besuchen. Ich begann sogar, im MUSIKTHEATERWIL zu spielen, und wirkte im Musical ‹Bärenstark› mit», erinnert sich Oskar Süess strahlend. Auch die Freude am Geschichtenerzählen flammte wieder auf. Im «Sääli» des Restaurants Sonnenstube durfte er den Kindern als «Oskar, dä Pirat», «Oskar, dä Ritter» oder «Oskar, die Superkäsemaus» Märchen erzählen, die er mit Schauspielutensilien wie einer Schatzkiste untermalte. «Ich wollte die Geschichten so gut wie nur möglich rüberbringen», so Süess. Langsam und kaum merklich schimmerte der altbekannte Perfektionismus wieder durch die Rüstung von «Oskar, dem Ritter». Doch die Leidenschaft war zu stark. Süess machte sich als Geschichtenerzähler selbstständig, montierte nebenbei Möbel und war als Marktfahrer auf Mittelaltermärkten unterwegs. Dies rentierte jedoch nicht so, wie er dachte. Die Überforderung kehrte zurück. Süess musste zurück in den Verkauf. «Wenn ich weitergemacht hätte, wäre es nicht gut ausgegangen. Zum Glück weiss ich nun, Alarmsignale zu deuten, und kann richtig reagieren», sagt er und fügt nachdenklich an: «Trotzdem: Die Überforderung hat sich durch mein ganzes Leben gezogen.»
Bald könnte damit ein für alle Mal Schluss sein. Diesen Juli wird Oskar Süess pensioniert. «Ich freue mich riesig. Ich bin nun versorgt und muss kein Geld mehr verdienen. Alles, was noch kommt, ist ein wunderbares Plus. Es fällt eine gewaltige Last von mir ab», sagt der Wiler sichtlich erleichtert. Sein Blick fliegt über den Küchentisch und bleibt beim Buch «Die Apfelkönigin» hängen, das er letztes Jahr herausgebracht hat. Es lässt erahnen, dass sein Ruhestand nicht ganz so ruhig wie der anderer Pensionäre werden könnte. «Ja», gibt Süess zu, «mit dem Buch wage ich einen Neustart als Geschichtenerzähler und werde nächstes Jahr viel unterwegs sein, um national bekannt zu werden.» Er versuche, es nicht zu übertreiben, meint er zwinkernd. Vorbereitet ist Süess bereits. Zwei Bücher schlummern seit Längerem in seiner Schublade. Deren Geschichten wird er aber nicht mehr als «Oskar, dä Pirat» erzählen, sondern nur noch als Oskar Süess. Nach Jahren voller Überforderung ist der Wiler bei sich angekommen.
Von Darina Schweizer
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