Jenny Breimaier
setzt sich in ihrem Projekt für mehr Inklusion von Beeinträchtigten ein.
Adipositasspezialist Simon Boltshauser (kl. Bild) erklärt, was die Abnehmspritze im Körper bewirkt. Adobe Stock/z.V.g.
Eine Spritze zum Abnehmen – der Weg zum Wunschgewicht schien nie leichter. Dr. med. Simon Boltshauser ist Fachspezialist für Adipositas. Er erklärt, welche Folgen die hohe Nachfrage nach dem Medikament hat und wo dessen Grenzen sind.
Wil Mit der Entwicklung und der Zulassung des Medikaments Wegovy gelang der Medizin ein Durchbruch in der Behandlung von Adipositas. In den vergangenen Jahren hat das Medikament des Pharmaunternehmens Novo Nordisk als «Abnehmspritze» mehr und mehr Popularität erlangt. Auch Dr. med. Simon Boltshauser spürt das wachsende Interesse am vermeintlichen Wundermittel: Der Facharzt für Adipositas behandelt in seiner Praxis an der Lerchenfeldstrasse aktuell so viele Patienten wie noch nie. Doch wie lässt das Medikament die Kilos purzeln? Bevor Simon Boltshauser die Wirkung des Medikaments erklärt, möchte er zuerst das Krankheitsbild Adipositas verständlich machen.
«Adipositas, auch Fettleibigkeit genannt, ist in unserer Gesellschaft nach wie vor stark stigmatisiert», so der Facharzt. Betroffenen würden oft fehlende Disziplin und Faulheit zugeschrieben – bei dieser Form des Übergewichts handle es sich aber nicht um Eigenverschulden der Patientinnen und Patienten, sondern um eine ernst zu nehmende Krankheit. Diese könne nicht ausschliesslich am Bodymassindex festgemacht werden, wie es die Weltgesundheitsorganisation vorgibt. «Adipositas ist nicht einfach ein paar Kilos zu viel – Adipositas ist eine chronische, fortschreitende Stoffwechselerkrankung», betont Simon Boltshauser. Verantwortlich dafür sei eine Dysfunktion im menschlichen Gehirn, genauer im Hirnstammbereich. Dort werden das Hungergefühl, das Sättigungsgefühl und das Verlangen nach Essen reguliert. Bei Menschen mit Adipositas, weiss der Facharzt, seien Hungergefühle und Sättigungsgefühle nicht mehr im Gleichgewicht. Folgen davon seien verstärkter Hunger und gesteigerter Drang, etwas essen zu müssen. «Viele adipöse Menschen haben eine suchtartige Beziehung zum Essen», vergleicht Boltshauser. Wo einfaches Übergewicht mit einem Kaloriendefizit, gesunder Ernährung und Bewegung meistens genügend behandelt werden könne, sei eine solche Diät für Betroffene mit Adipositas ohne medizinische Unterstützung oft nicht ausreichend.
Dazu kommt laut dem Facharzt, dass vermehrte Diätversuche das Übergewicht oft noch verschlimmern. «Ein Kaloriendefizit reicht nicht aus – regelmässige Bewegung und eine ausgewogene Ernährung sind für den Erfolg einer Diät massgebend», betont Simon Boltshauser. Denn: Ohne Sport und eine eiweissreiche Ernährung nehme der Mensch nicht nur Fettgewebe, sondern auch Muskelmasse ab. «Muskeln sind der Motor des Körpers. Wird dieser Motor kleiner, benötigt er automatisch weniger Benzin. Das heisst: Das Körpergewicht sinkt zwar, mit ihm aber auch der Grundumsatz.» Wenn die Kalorienzufuhr nach der Diät wieder erhöht werde, so der Adipositasarzt, komme es wieder zu einer Gewichtszunahme – meist sogar über das ursprüngliche Gewicht hinaus. «Je mehr Diäten der Mensch macht, desto schwieriger wird es, abzunehmen», folgert Boltshauser. Und es gibt weitere Faktoren, die eine Gewichtsreduktion zusätzlich erschweren.
Der Mensch sei genetisch dazu veranlagt, an seinem Höchstgewicht festzuhalten, weiss der Fachspezialist für Adipositas. Der Grund dafür sei die Nahrungsknappheit vor über Hunderten von Jahren. «Sobald das Körpergewicht sinkt, generiert unser Organismus zur Selbsterhaltung automatisch mehr Hunger und Verlangen nach Essen. Gleichzeitig verschiebt sich das Soll-Gewicht des Körpers bei einer Zunahme immer mehr nach oben», erklärt Simon Boltshauser. Dieser Teufelskreis kann mit der Abnehmspritze unterbrochen werden. Bei Wegovy handle es sich aber nicht um eine klassische Fett-weg-Spritze, betont der Facharzt, sondern um ein metabolisch wirksames Medikament, welches den gesamten Stoffwechsel des Menschen beeinflusse. Der darin enthaltene Wirkstoff Semaglutid erhöht die Produktion des körpereigenen Hormons, welches das Sättigungsgefühl schneller hervorruft. «Durch das verringerte Hungergefühl nehmen Patientinnen und Patienten innerhalb eines Jahres im Durchschnitt zwischen 15 und 20 Prozent ihres Körpergewichtes ab», verrät Boltshauser. Das Medikament sei aber nur zu Unterstützung der Adipositasbehandlung gedacht – eine ausgewogene Ernährung und regelmässige Bewegung seien ebenso Teil der Therapie, betont der Arzt. Auch sei Wegovy kein Wunderheilmittel: Etwa zehn Prozent der adipösen Menschen würden das Medikament nicht vertragen. Aktuell gehen Forschende laut dem Facharzt ausserdem davon aus, dass die Behandlung mit der Spritze über viele Jahre – vielleicht sogar ein Leben lang – erfolgen muss, um das Gewicht nach der Abnahme zu erhalten.
Wie sich das Medikament langfristig auf den menschlichen Körper auswirkt, ist nicht abschliessend bekannt. Kurzzeitig könne die Spritze Übelkeit hervorrufen, zu Völlegefühl oder Verdauungsbeschwerden führen, weiss Simon Boltshauser. Der Effekt, den die hohe Nachfrage nach dem Medikament auf das Gesundheitssystem hat, zeigte sich bereits in den vergangenen Jahren: Die positive Auswirkung von Semaglutid auf die Gewichtsreduktion wurde durch das Medikament Ozempic bekannt. Dieses wurde ursprünglich zur Behandlung von Diabetes entwickelt. «Ozempic enthält denselben Wirkstoff wie Wegovy, aber in einer etwas niedrigeren Dosierung», erklärt der Facharzt. Beide Medikamente können sowohl durch Hausärzte als auch durch Spezialisten verschrieben werden. Der Unterschied besteht in der Vergütung durch die obligatorische Krankenversicherung. Wegovy wird nur über die Grundversicherung rückerstattet, wenn unter anderem die Verordnung durch einen Facharzt in Endokrinologie oder in einem Adipositaszentrum erfolgt und die Patienten strenge Auflagen wie Gewichtsziele erfüllen. «Dieser Umstand führt dazu, dass das Diabetesmedikament oft für Adipositaspatienten ohne Diabetes missbraucht wird. Dies führt zu Engpässen des Medikaments Ozempic, was für Diabetikerinnen und Diabetiker schwerwiegende Folgen haben kann.»
«Fakt ist, mit dem Medikament Wegovy ist es Adipositaspatientinnen und -patienten möglich, abzunehmen, das Gewicht zu erhalten und somit ein gesünderes Leben zu führen», fasst Simon Boltshauser zusammen. Dieser Forschungsfortschritt sei für Betroffene sehr wichtig – vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass es immer mehr fettleibige Menschen auf der Welt gebe, betont der Wiler Arzt. Zu deren Behandlung gebe es allerdings nicht annähernd genug ausgebildete Spezialisten. Ein weiterer Engpass, der sich in Boltshausers Alltag bereits bemerkbar macht: Die Patientenplätze in seiner Praxis seien rar geworden. Einen Termin erhalte man nur durch die Überweisung eines Hausarztes, so der Adipositasspezialist. Für eine Konsultation muss man sich also in Geduld üben.
Linda Bachmann
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